# Dr. Peter Nitschke von _Plastic Bank®_ im Interview mit _Schönstatt for Future_ _10. November 2020, Philipp Wittershagen_ _Plastic Bank ist ein soziales Unternehmen, welches das Sammeln von Plastik in Ländern vergütet, in denen keine Infrastruktur hierfür vorhanden ist und das meiste Ocean Plastic entsteht. Dieses verkauft Plastic Bank als Fair Trade Rohstoff an Unternehmen wie beispielsweise Henkel oder Logitech._ --- ## Sie kommen ursprünglich aus Deutschland -- ich konnte allerdings nicht herausgefunden woher genau, -- und arbeiteten hier vorerst für sieben Jahre als Krankenpfleger. 1997 gingen Sie dann in die Philippinen -- wie kam das? Ich komm aus Weiden, einer Stadt im Nordosten Bayerns in der Nähe der Tschechischen Grenze. Ich hatte eigentlich auch aus christlichen Beweggründen ein sehr starkes Verlangen mit Menschen in den Slums zu arbeiten und habe in den Philippinen verschiedene Selbsthilfeprojekte aufgebaut, für verschiedene humanitäre Projekte gearbeitet und mit Hilfswerken vor Ort zusammengearbeitet. Meine Frau ist auch aus den Philippinen und meine Kinder sind dort aufgewachsen. ## Sie arbeiteten bereits in vielen verschiedenen sozialen, transformativen Projekten; Was ist für Sie das Besondere an Plastic Bank? Das Besondere an Plastic Bank ist, dass es ein social-business ist -- also ein soziales Unternehmen. Im Gegensatz zu Hilfswerken, bei denen alles auf Spenden basiert und oft nicht gedacht wird "wie soll sich das mal selbst tragen", ist 'Social Plastic', welches ja das Produkt von Plastic Bank ist, ein Fair-Trade-Plastikrohstoff, der an die Wirtschaft weiterverkauft wird und durch dessen Einnahmen sich das Unternehmen langfristig trägt. Finanzierungen sind so nur für bestimmte Projekte vonnöten. Ich denke, dass dies ein nachhaltigerer Ansatz zur Armutsbekämpfung ist, als ausschließlich-soziale Projekte, da den Menschen vor Ort nicht einfach nur soziale Dienste geleistet werden, sondern diese angehalten werden selbst unternehmerisch tätig zu werden. ## Die Deutschen bezeichnen sich ja gerne als Recycling-Weltmeister, gleichzeitig werden hierzulande mehr Verpackungsabfälle generiert als sonstwo in Europa. Ist das am Ende also nur mentales Greenwashing, um uns selbst gut zu fühlen?, und hat Deutschland eigentlich einen Einfluss auf Ocean Plastic? Man muss außeinanderhalten, was mit dem Verpackungsmüll bei uns passiert und was in den Ländern passiert, wo das meiste Ocean Plastic entsteht. Bei uns wird ja doch 47% des Plastiks recycled und ein großteil wird dann in Energie umgewandelt. Viel mehr Ocean Plastic bei uns entsteht durch Mikroplastik; ein großteil durch Reifenabrieb, durch Kosmetika und Textilien, die aus Kunstfasern hergestellt werden. Das sind glaube ich in Deutschland um die 14000 Tonnen im Jahr. In Ländern wie auf den Philippinen ist es eher Makroplastik, -- Verpackungsmüll --, weil dort einfach keine gute Müllentsorgung vorhanden ist. Das ist eine andere Problematik. Ich denke natürlich schon auch, dass es nicht nachhaltig ist, wie wir hier in Deutschland Verpackungsmüll generieren und wir unser Konsumverhalten sehr stark ändern müssen, wobei das auf die Plastikvermüllung der Ozeane wiederum wenig Einfluss hätte. Dafür muss in den Entwicklungsländern einfach eine Sammel- und Recyclinginfrastruktur aufgebaut werden. Es ist auch so, dass in diesen Ländern vieles in sehr kleinen Verpackungen verkauft wird, die eigentlich nicht recyclebar sind, da die Menschen sich eben nur Shampoo oder Öl oder Zahnpasta in kleinen Verpackungen leisten können weil sie nur Tagelöhner sind. Die Industrie dort müsste einen Paradigmenwechsel durchführen, wo diese kleinen Verpackungen wegfallen, da diese einen Großteil des Verpackungsmülls ausmachen. ## Mir wird oft gesagt, dass die Aktionen einzelner immer nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Was würden Sie darauf antworten -- und was wäre Ihrer Meinung nach für einen Deutschen die beste Möglichkeit den Verbrauch von Plastik über sich hinaus zu verringern? Ich denke, dass viele Tropfen auf den heißen Stein schon auch eine Wirkung haben, also, wenn Millionen Menschen ihr Leben verändern, ihren Lebensstil umändern, es auf jeden Fall eine Auswirkung hat. Ich denke, dass auch der Verbraucher eine gewisse Macht hat auf die Wirtschaft einzuwirken und Produkte zu kaufen, die eben nachhaltiger sind -- nicht nur bei Verpackungen, sondern in allen Bereichen. Natürlich muss das auch die Politik mit dem gesetzlichen Rahmen unterstützen. Zum Beispiel haben wir derzeit das Problem, dass durch den niedrigen Ölpreis recycletes Plastik teurer ist, als Neu-Plastik aus Erdöl herzustellen -- wodurch Recycling eigentlich unrentabel ist. Da müsste der Gesetzgeber eingreifen. Man müsste auch überlegen, warum die Ölindustrie mit so vielen Subventionen bezuschusst wird. Unser ganzes Wirtschaftssystem müsste von einer linearen Wirtschaft eher in eine Zirkularwirtschaft umgewandelt werden, in der alles wiederverwendet wird. ## Sie sind ja im speziellen für den Kontakt zu Glaubensgemeinschaften zuständig. Was hat Plastikmüll mit Glaube zu tun? Papst Franziskus hat uns durch seine Enzyklika Laudato Si darauf gebracht, in der es darum geht, unser gemeinsames Heim zu schützen und das Schreien der Armen zu hören. Wir haben gemerkt, dass hier eine Werteübereinstimmung vorhanden ist. Außerdem verwenden auch alle Gläubigen Plastik und haben ebenso eine Verantwortung, dieses sorgsam zu entsorgen. Es ist Ausdruck unseres Christseins wie wir mit unserem Plastik umgehen und ich denke, dass Menschen, die eine gewisse Orientierung im Glauben suchen auch in dieser Hinsicht gelehrt werden können: zu sehen, dass zusammengehört, wie wir mit unserem Planeten umgehen und wie wir unseren Glauben ausleben. ## Was motiviert Sie persönlich, sich für die Umwelt einzusetzen -- und nach welchen Idealen treffen Sie Ihre Entscheidungen im Leben? Das hat auch sehr tief mit meinem Glauben zu tun. Mich hat das Leben von Franz von Assisi sehr inspiriert. Er ist ja der Schutzheilige der Umweltschützer und hat sich auch sehr für die Armen eingesetzt. Ich denke es sind die simple Freude am Leben und die Liebe zur Natur in der sich unser Glaube an den Schöpfergott ausdrückt, die mich immer wieder motivieren mich in diese Richtung zu bewegen. ## Zwischen Idealen und der tatsächlichen Anwendung derer liegen ja oft Welten -- gibt es Rituale oder Strategien, die Ihnen dabei helfen, auch nach Ihren Idealen zu leben? Da muss ich Ihnen recht geben und ich muss auch ganz ehrlich zugeben, dass ich noch nicht so weit bin, wie ich eigentlich sein möchte und noch eine Wegstrecke vor mir hab. Wichtig ist, sich überhaupt erstmal zu informieren und in Gemeinschaft mit anderen transparent zu sein. Auch stelle ich mir immer die Frage "brauch ich das jetzt", "muss dass jetzt sein", "kann ich ohne das Leben". Da gibt es auch Entscheidungen, die nicht so schwer fallen. Zum Beispiel hab ich früher nie deutschen Wein getrunken -- aber warum soll ich Wein aus Südafrika oder Chile kaufen, der durch die ganze Welt gekutschert wird und einen furchtbaren CO2 Fußabdruck hat, wenn hier nur eine halbe Stunde entfernt das Weingau ist. ## Gibt es noch etwas, was Sie uns mitgeben wollen? Ich denke, dass wir als Glaubensgemeinschaften oder als Menschen, die ihren Glauben ernstnehmen, diese Art Pilgerreise haben, in uns zu gehen und zu entdecken, wer wir sind und wer wir werden können. Ein Grundwert der Plastic Bank ist das "werden" -- und unser Ziel ist es: "Wir wollen die Menschen werden, die unsere Erde und die unsere Gesellschaft braucht". Das ist ein sehr hoher Anspruch, aber auf der anderen Seite auch eine sehr starke Ermutigung, dass wir nicht dazu verdammt sind, in diesem Zustand in dem wir jetzt sind zu verweilen, sondern dass wir ein Potential haben uns zu verbessern und zu verändern. Ich denke es wäre eine wunderbare Sache, wenn wir dabei auch zusammenarbeiten können, diese Menschen zu werden, die unser Planet und die unsere Gesellschaft braucht. --- _Dr. Peter Nitschke ist Faith Program Specialist bei Plastic Bank®_